Auf Besuch
an historischen Plötzen
Wie im Bericht
über das Turnier in Reykjavik angekündigt gibt
es hier ein paar Bilder zum Thema Bobby Fischer. Island war der Austragungsort
des bis heute wohl berühmtesten Schachereignisses - der Weltmeisterschaft
1972. Bobby Fischer wurde damals Weltmeister. Über 30 Jahre später
halfen ihm seine alten Beziehungen, um die isländische Staatsbürgerschaft
zu erhalten. Im März 2005 erreichte Fischer Island, welches er danach
nicht mehr verlassen konnte, da er sonst Gefahr lief, an seine einstige
Heimat, die Vereinigten Staaten, ausgeliefert zu werden und dort eine lange
Haftstrafe antreten zu müssen. Fischer lebte in Islands Hauptstadt
Reykjavik bis zu seinem Tode im Januar 2008, wonach er im 60 km entfernten
Selfoss begraben wurde.
Auf die Hintergründe
all dessen einzugehen, ist müßig. Es wurde an anderen Stellen
zur Genüge ausgeführt. Jedenfalls existieren zahlreiche historische
bwz. interessante Orte, die an die Weltmeisterschaft und Bobby Fischers
spätere Zeit in Island erinnern. Einige dieser Plätze konnte
ich aufsuchen, häufig in Begleitung von Sebastian, der sich nicht
dagegen wehren konnte, sich ein wenig den Wind der (Schach-)Geschichte
um die Nase wehen zu lassen. Hier in loser Reihenfolge ein paar dieser
Orte.
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Buchladen Bokin
Klapparstigur, Reykjavik
Bokin ist ein Buchgeschäft
in der Klapparstigur, einer Querstraße zur Laugavegur. Die Laugavegur
ist die Haupteinkaufsstraße und Restaurantmeile in Downtown Reykjavik,
dem angesagtesten Viertel der Hauptstadt, wir hatten dort auch unser Appartement.
In der Downtown findet das "berüchtigte Nachtleben" (div. Reiseführer)
Reykjaviks statt, angeblich mittlerweile in ganz Europa eines der angesagtesten.
Nun ja, es hat eine eigene Atmosphäre, aber für mich ist ein
Pub immer irgendwie ein Pub...
Zu Bokin: Bokin, was
übersetzt einfach nur Buch bedeutet, liegt ein paar Gehminuten von
unserer Unterkunft entfernt in einer Querstraße zur Laugavegur und
war ein Rückzugsort für Fischer, der sich dort regelmäßig
mit diverser Literatur beschäftigte. Ein unübersichtliches Sammelsurium
aller möglicher Bücher und ein älterer, eigentümlicher
Besitzer, der so ziemlich alles ankauft, was er kriegen kann. Nachdem Fischer
dort aber vermehrt von Leuten gestört wurde, unter anderem von einem
russischen Kamerateam, zog er sich von Bokin zurück und las nur noch
in der Öffentlichen Bibliothek.
Die Bilder sprechen
vermutlich für sich. Den Laden habe ich betreten, allerdings innen
keine Fotos gemacht. Zum Bild rechts unten: Der Besitzer hatte in einer
Ecke des Ladens einen Stuhl für Fischer aufgestellt, ein Foto davon
hängt im Fischer Museum, siehe unten. Im Laden selber ist dies mittlerweile
nicht mehr so angeordnet. Der Besitzer ist auch nicht mehr der Jüngste,
der Laden wird also wohl eher kurz- als mittelfristig die Pforten schliessen.
Hotel Loftleidir
Nautholsvegur, Reykjavik
Im Loftleidir (heute
heisst es „Icelandair Hotel Reykjavik Natura“) wohnte Fischer während
der WM 1972. Nach seiner Rückkehr im Jahre 2005 war er ebenfalls die
ersten Monate dort untergebracht, und zwar in derselben Suite wie 1972.
Diese kann heute für Aufenthalte gebucht werden („Gimli Suite“). Das
Hotel liegt am Tower des Stadt-Flughafens von Reykjavik, knapp 3 km von
unserer Unterkunft entfernt. Im Foyer befindet sich eine kleine Ausstellung.
Das Highlight ist der Schachtisch von 1972. Dieser soll in naher Zukunft
in das Fischer Museum in Selfoss überführt werden, zumindest
ist dies die Hoffnung der Museumsbetreiber.
Auf den Bildern blickt
man auf den Haupteingang des Hotels. Im linken Flügel befindet sich
ein Nebeneingang, nach ein paar Schritten findet man dort bereits den Tisch,
"abgetrennt" durch eine Kordel. Links und rechts an den Wänden hängen
ein paar Bilder betreffend des Kampfes. Der Tisch ist durch eine Glasplatte
geschützt, aber warum man dort ein ordinäres Schachbrett drauf
placiert hat, bleibt ein Rätsel. Wir liessen es uns nicht nehmen,
ein wenig "die Figuren zu bewegen"...
Hotel Saga
Hagator, Reykjavik
Im Saga Hotel, welches
ebenfalls mittlerweile umbenannt wurde in „Radisson Blu Saga“, residierte
1972 Boris Spassky.
Erneut in einer Abendatmosphäre
aufgenommen. Im Hotel selber waren wir nicht mehr, aber ich bezweifle,
dass dort eine Ausstellung über Spassky vorhanden ist. Man müsste
schon eher die russische Literatur wälzen, um mehr über Spasskys
Aufenthalt auf Island zu erfahren.
Fischers erste Unterkunft
Klapparstigur, Reykjavik
Nach mehreren Monaten
Aufenthalt im Hotel Loftleidir , wo er in derselben Suite wie 1972 wohnte,
zog Fischer in der zweiten Jahreshälfte 2005 in diese Appartements
ein, seine Wohnung befand sich im 4. Stockwerk. Diese recht exklusive Wohnlage
musste Fischer allerdings nach mehr als sechs Monaten räumen, da der
Vermieter diese selbst benötigte.
Auf dem linken Bild
oben befindet sich Fischers Wohnung. Rechts sieht man das Gegenüber.
Sollte Fischer aber seine Fensterfront zur anderen Seite hin gehabt haben,
konnte er auf's Wasser schauen. Keine schlechte Lage, Fischer konnte von
hier aus schnell alle Läden in der Hauptgeschäftsstraße
erreichen, und er aß ja generell nur auswärts. Die Straße
ist wie oben genannt die Klapparstigur, dort liegt auch der Buchladen Bokin.
Allerdings in der Gegenrichtung. Man läuft also zunächst zurück
zur Laugavegur und dann geradeaus weiter zu Bokin, in ein paar Gehminuten
war das für Fischer zu erreichen.
Grab von Fischer
Selfoss
Rund 60 km entfernt
von Reykjavik liegt die Stadt Selfoss. Hier gibt es eine kleine Kirche,
vor derer das Grab von Fischer liegt. Fischer gefiel dieser kleine, ruhige
Ort sehr gut und er wünschte sich, dort beerdigt zu werden. Diesen
Ort besuchte ich zweimal. Der erste Besuch war im Rahmen einer Rundtour,
welche einige der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Südwestens
Islands abdeckte und extra für die Schachspieler angeboten wurde mit
einer Erweiterung um den Ort Selfoss mit dem Grab von Fischer und dem Fischer
Museum. Wegen Krankheit konnte Sebastian nicht mitfahren. Aber wir machten
diese Tour dann ein weiteres Mal mit unserem Mietwagen, am Ende landeten
wir dann auch wieder in Selfoss.
In der kleinen Kirche
fand seinerzeit ein Gedenkgottesdienst statt, nachdem Fischer bereits zuvor
in kleinem Kreise vor der Kirche bestattet worden war. Das Bild unten links
zeigt den Eingang zur Kirche vor dem Reisebus mit der Lage des Grabes.
Rechts mittig wird einem auffallen, dass dort kein Schnee zu sehen ist.
Dieses Bild machte ich beim zweiten Besucht mit Sebastian alleine ein paar
Tage später. Es war schon halbdunkel, eine recht unwirkliche Atmosphäre,
eine einsamere Gegend kann man sich auch nicht vorstellen, die Bilder zeigen
dies leider nicht.
Von der Hauptstraße
biegt man, schon etwas ortsauswärts, nach links ab und fährt
über eine schmale Straße, fast schon wie ein Feldweg, bis ein
paar hingeworfene alte Häuser und die kleine Kirche auftauchen. Warum
auf dem Grab ein schwarzer König steht, erschließt sich mir
nicht. Es gab eine dumme Bemerkung eines Mitreisenden der ersten Rundtour,
ob Fischer nicht der schwarze König des Schach gewesen sei. Tatsächlich
aber existieren etwas ältere Fotos vom Grab, auf denen auch zusätzlich
ein weißer König zu sehen ist. Es war also nur eine schachliche
Hommage, die entweder von der Natur oder einem Souvenirjäger "verändert"
wurde.
Fischer Museum
Austurvegur, Selfoss
Ein paar Minuten entfernt
vom Grab liegt, etwas versteckt, das Fischer Museum. Ich fand dies eher
etwas, naja, sagen wir, ausbaufähig. Ein paar Memorabilia waren dort
zu sehen vom 72er Match, wie Spielfiguren, Plakate und Partieformulare,
aber insgesamt nichts Weltbewegendes. Man hat dort auch den Tisch, an dem
1972 gespielt wurde, allerdings nur einen Nachbau, und diesen darf man
auch eigentlich nicht zeigen. Das Original steht im Hotel Loftleidir, siehe
oben, und soll in baldiger Zukunft ins Museum überführt werden.
Man sieht oben ein
Bild aus dem Museum heraus aufgenommen, um einen Eindruck von der Gegend
zu bekommen. Der Tisch ist nur ein Nachbau, die Stühle scheinen auch
aus irgend einer Gartenbauabteilung zu stammen. Die Partieformulare sind
von der vierten Partie, die Fischer mit Weiß mühsam Remis halten
konnte. Auf den beiden Schwarz-Weiß-Fotographien sieht man einmal
Spassky mit seiner Entourage (links auf dem Bild Geller) und Fischer, der
nach einer Partie zu seinem Wagen geleitet wird.
Laugardarshöllin
Engjavegur, Reykjavik
In dieser Halle wurde
1972 gespielt. Sie liegt knapp 5 km von unserer Unterkunft entfernt. Auf
den Bildern sieht man die alte Halle und den neuen Anbau. Man sieht hier
ein paar Aussenaufnahmen, in der Halle selber waren wir nicht. Also auch
nicht im berühmten Hinterzimmer, in welchem die dritte Partie gespielt
wurde. Dazu hätte es allerdings auch eines Hausmeisters bedurft.
Restaurant 3 Frakkar
Baldursgata, Reykjavik
Fischers Lieblingsrestaurant,
wenige Autominuten von unserem Appartement entfernt. Spezialisiert hat
man sich dort auf Fischgerichte. Eines der wenigen Dinge, die man in Island
relativ günstig bekommen kann. Da es sich hier allerdings um eine
„gehobene“ Küche handelt, kamen wir für ein Fischgericht nebst
einem Glas Wein nicht unter 60 EUR heraus - pro Person, versteht sich.
Wir sind ja in Island! Es hängt dort ein Bild von Fischer an der Wand
über dem Tisch, an welchem er immer saß. Dieses konnten wir
fotographieren, da zu dem Zeitpunkt das Restaurant kurz vor Ladenschluss
fast leer war. Trotz des Preises ein gutes Essen und ein schöner Abend.
Das Foto von Fischer,
welches in diesem Restaurant hängt, ist die letzte bekannte Aufnahme
des Amerikaners (oder sollte man sagen Isländers?). Es wurde auch
im 3 Frakkar selbst fotographiert.
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Quellen:
Für eine völlige
Korrektheit aller Informationen kann ich keine Garantie übernehmen.
Manches hat man mal irgendwo gelesen. Dennoch dürfte so ziemlich alles
einer strengen Prüfung standhalten. Bis auf das, was wir in Reykjavik
selber sahen, möchte ich aber zwei Quellen nennen: Die Fischer-Biographie
"Endgame" von Frank Brady und das Buch über seine Jahre in Island,
"Bobby Fischer comes home", von GM Helgi Olafsson.
- frank modder,
21.06.2016
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Fischer in Thingvellir
Das Bild links zeigt
Fischer an einem der historischsten Orte Islands, dem Thingvellir Nationalpark.
Hier fanden einige der wichtigsten Ereignisse der isländischen Geschichte
statt wie die Grüdung eines der ältesten Parlamente der Welt,
des Althing, oder im Jahre 1944 die Ausrufung der Republik. An diesem Ort
driften auch die amerikanische und die eurasische Kontinentalplatte auseinander
und sorgen für eine interessante Geologie. Rechts ist unser Besuch
in Thingvellir. Ich erinnere mich, ein Foto mit Sebastian ähnlich
dem von Fischer gemacht zu haben, aber kann dieses nicht mehr auffinden.
Mehr zu Thingvellir
später in einem weiteren Special über Land und Leute.
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